Red Metal. Die Heavy-Metal-Subkultur der DDR
Ein Beitrag von Nikolai Okunew
Im November ist im Ch. Links Verlag das Buch »Red Metal. Die Heavy-Metal-Subkultur in der DDR« von Nikolai Okunew erschienen. Der Historiker hat zu diesem Thema jahrelang geforscht, nun stellt er in diesem Buch seine Ergebnisse vor und legt eine höchst spannende und unterhaltsame Studie über eine Subkultur in der DDR vor, die bislang wenig Beachtung gefunden hat. In »Red Metal« zeigt sich, wie Untergrundszenen in der DDR funktionierten, welche Rolle sie für die Menschen gespielt haben und sie weiterleben.
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Im Laufe der 1980er-Jahre entstanden in der DDR mehr als 100 Heavy-Metal-Bands. Die sie umgebende Subkultur war aktiv und schob sie durch diszipliniertes Briefeschreiben auf die obersten Ränge der DT64-Hitparaden. Außerhalb der Ost-Metal-Szene sind die Gruppen heute weitgehend unbekannt. Zu Unrecht, denn neben diversen kuriosen Umständen in den jeweiligen Bandbiografien bereichert und präzisiert das Wissen um diese Bands das Verständnis von der Popkultur in der späten DDR. Nikolai Okunew stellt in knapper Form und mit Hörbeispielen drei sehr einflussreiche DDR-Bands vor.
Ein Beitrag von Nikolai Okunew
Die wohl wichtigste Heavy-Metal-Band der DDR war Formel 1 aus Berlin. Die Band hat eine lange Vorgeschichte: Sänger Norbert Schmidt spielte schon in den 1960ern-Jahren Beat und in den 1970ern mit dem Joco Dev Sextett psychedelischen Rock. In den frühen 1980er-Jahren dann machte sich Formel 1, zunächst vor allem im Berliner Raum, einen Namen als Hard-Rock- und Heavy-Metal-Coverband. Formel 1 veröffentlichte 1987 das einzige reine Heavy-Metal-Album in der DDR: Live im Stahlwerk. Nur kurze Zeit später zerfiel die Band aufgrund der fehlenden Auftrittsmöglichkeiten, der Verhinderung von Westreisen und wegen politischer Differenzen mit der SED.
Macbeth aus Thüringen gehört zur zweiten Generation von DDR-Heavy-Metal-Bands. Ab 1985 konnte die Gruppe offiziell auftreten und gewann vor allem im Süden der DDR eine ergebene Fangemeinde. Die Gruppe hielt mit globalen Trends Schritt, und so war der Sound von Macbeth deutlicher ruppiger als der von Formel 1. Der Stasi waren die rauschhaften Bewegungen der Fans auf Macbeth-Konzerten suspekt, und sie wollte die Gruppe daher liquidieren. Macbeth legte sich den Namen Caiman zu und meldete sich in einer anderen Stadt amtlich an. So konnte sie eine Zeit lang die Schikanen des MfS umgehen. Sänger Detlef Wittenburg wurde dennoch schließlich inhaftiert und beging nach seiner Entlassung 1989 Suizid. Allem zum Trotz und nach Unterbrechungen besteht Macbeth bis heute.
Die Band Blackout wohnte und probte in Berlin-Biesdorf, im Wohnhaus von Tim Schallenberg, einem Enkel Otto Nagels. Im Keller des »Madhouse« konnte die Band ungestört proben und erste Demoaufnahmen machen. Die Gruppe spielte weitgehend unbehelligt von der Kulturbürokratie Konzerte, selbst dann noch, als Drummer Jan Lubitzki wegen eines gescheiterten Fluchtversuchs im Gefängnis saß und mehrere Bandmitglieder Ausreiseanträge gestellt hatten. Früh gründete sich im unmittelbaren Umfeld von Blackout eine zweite Band namens Disaster Area. Für Disaster Area war es, aufgrund der Erosion der staatlichen Macht in der späten DDR, gar nicht mehr nötig, sich um eine Auftrittserlaubnis zu bemühen. Stattdessen schrieb sich die Gruppe, wie auch Blackout, mit nur einer Demo in die Herzen der DDR-Heavys.