Ein Brief von Bestseller-Autorin Caroline Bernard an die Leser:innen von ihrem neuen Roman »Ich bin Frida«
In »Ich bin Frida« tauche ich tief in die Zeit vom Sommer 1938 bis zum März 1939 ein, eine entscheidende Phase in Fridas Leben, die ich im ersten Roman nur auf wenigen Seiten streifen konnte. In dieser Zeit legt Frida den Grundstein für die spätere Ikone.
Liebe Leser:innen,
seit mir Freundinnen zu meinem 27. Geburtstag eine Biografie über Frida Kahlo geschenkt haben, lässt sie mich nicht wieder los. Ich habe Ausstellungen gesehen und Bücher gelesen und schließlich einen Roman über sie geschrieben. 2019 erschien »Frida Kahlo und die Farben des Lebens«. Ich bin mit meiner Begeisterung für sie nicht allein. In den letzten Jahren erlebt Frida eine weitere Renaissance. Überall sehe ich Frida-Graffiti, Frida-Taschen, Frida-Tattoos ... Ich selbst habe inzwischen ein Frida-Kissen auf dem Sofa und an meinem Kühlschank hängt ein Frida-Magnet, ich trage ab und zu Frida-Socken und trinke aus einer Frida-Tasse. Frida ist omnipräsent, auf der Straße und im Internet. Ich bekomme aus der ganzen Welt Fotos zugeschickt, auf denen Frida zu sehen ist. Dafür bedanke ich mich an dieser Stelle ausdrücklich.
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Was ist das, was Frida Kahlo zu einer bewunderten Welt-Ikone macht? In ihrem Fall passt dieser Superlativ wirklich. Warum sehen wir nicht Picasso oder da Vinci überall? Manchmal beschleicht mich der Gedanke, dass wir uns ihre Person zu eigen machen. Wir schnitzen uns aus Frida ein Vorbild, so, wie wir sie gerade brauchen und sie in unser Leben passt. Als große Liebende; als berühmteste Malerin Mexikos; als engagierte Kommunistin; als vom Schicksal gebeutelte Frau, die mehr ertragen musste, als sie konnte; als verhinderte Künstlerin, von Männern ausgenutzt; als Frau, die keine Kinder bekommen konnte; als Kämpferin für die Gleichberechtigung; als Frau, die ihre Sexualität frei auslebte, mit Männern und mit Frauen …
Diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Frida ist all das, aber kann sie auch alles gleichzeitig sein? Ich glaube, was Frida so einzigartig macht, was uns nach jeder noch so kleinen Lebensäußerung süchtig macht, das ist die Perfektion, mit der sie ihr eigenes Bild für die Öffentlichkeit zeichnete. Die Kleider, die Frisuren, der Schmuck: all das war Teil einer Inszenierung. Sie hat uns ein genau gezeichnetes Bild von sich gezeigt. Aber das Wichtigste dabei ist das Geheimnisvolle, das sie immer umgab. Wir können noch so viel über sie lesen und erfahren: Da bleibt immer noch ein Rest, ein verborgener Winkel, in den sie vor unserer Neugierde flüchtet. Wir glauben, sie sei uns nahe, aber dann entwischt sie uns doch wieder. Frida Kahlo lässt sich eben nicht in eine Schublade stecken, sie hat Ecken und Kanten und während der Arbeit habe ich mich oft gefragt, wie sie bestimmte Dinge tun konnte, manchmal entgegen ihrer eigenen Vorsätze. Anfangs haderte ich mit ihrer Widersprüchlichkeit. Ich musste lernen, sie zu akzeptieren. Inzwischen weiß ich, das ist auch gut so. Frida Kahlo ist eben doch keine Göttin, keine Heilige, sondern eine Frau, ein Mensch.
Nur so ist verständlich, warum sie unbedingt als eigenständige Künstlerin reüssieren will und gleichzeitig Angst davor hat, ohne Diego nach Amerika zu fahren. Wie kann sie sich mit Haut und Haaren in Nick verlieben und gleichzeitig fest überzeugt sein, dass sie auch Diego behalten kann? Wie schafft sie es, in Paris einen weiteren Mann an sich zu binden – und nebenbei auch einige Frauen und dennoch glaubhaft zu machen, dass sie es mit jedem gleichermaßen ernst meint?
Die zweite Frage, die ich an Frida hatte, war die nach der Kunst, nach Kreativität. Ich schaffe selbst Welten, nicht mit Farben und Pinsel, sondern mit Worten. Ich hadere mit denselben Hindernissen: Woher kommt die Idee? Was macht diese eine so besonders, das wir an ihr dranbleiben? Ich kenne das beruhigende, berauschende Gefühl, das sich einstellt, wenn ich glaube, etwas Gutes geschrieben zu haben. Beim Schreiben vergesse ich den Alltag, Sorgen, die Zeit. Ich lebe dann in meinen Geschichten.
So ähnlich stelle ich es mir bei Frida vor. Ich habe versucht, mich in ihren Kopf zu versetzen, wenn sie vor der Leinwand steht. Für sie muss dieses Gefühl, etwas Wahres zu schaffen, noch viel existenzieller gewesen sein, denn sie hat damit ihre Krankheiten, ihre Schmerzen und Diegos Untreue sublimiert. Beim Malen hat sie Kraft geschöpft, auch wenn es sie paradoxerweise manchmal körperlich an ihre Grenzen gebracht hat.
Frida Kahlo hat so viele Facetten, je länger ich mich mit ihr beschäftige, umso faszinierender wird sie für mich. Fridas Geheimnis auf die Spur zu kommen, das war der Grund, warum ich einen zweiten Roman über sie geschrieben habe. Insofern ist mein neuer Roman mehr als eine Fortsetzung von »Frida Kahlo und die Farben des Lebens«.
In »Ich bin Frida« tauche ich tief in die Zeit vom Sommer 1938 bis zum März 1939 ein, eine entscheidende Phase in Fridas Leben, die ich im ersten Roman nur auf wenigen Seiten streifen konnte. In dieser Zeit legt Frida den Grundstein für die spätere Ikone. Ich wollte herausfinden, wie sie es geschafft hat, neben dem berühmten Diego Rivera, der ihr Herz bis in den letzten Winkel besetzt hielt, die Kraft zu finden, sich auf die Malerei zu konzentrieren und es darin zur absoluten Meisterschaft zu bringen. Und dann trifft sie in New York Nick Muray, der zu ihrer großen Liebe wird. Sie glaubt tatsächlich, beide Männer haben zu können.
In dieser Zerreißprobe wird aus Frida die ernsthafte Malerin, für die Kunst buchstäblich ihr Leben bedeutet. In den folgenden Jahren schafft sie ihre Selbstbildnisse, in denen sie uns als reife, schöne, nachdenkliche, wissende, leidende und triumphierende Frida entgegentritt. Als Frau mit einem Geheimnis, das sie so einzigartig und unverwechselbar macht. So, wie wir selbst gern wären.
Eure Caroline Bernard